Die Erfindung der Würfelzuckerpresse
Bis vor etwa hundertdreißig Jahren mühten sich Hausfrauen und Dienstboten ab, Zuckerhüte zu zerhacken, wenn sie die Produkte ihrer Küche süßen wollten. Oft verursachte das lästige »Zuckerzwicken« gar Verletzungen an den Fingern. Von seiner Gattin auf diese Misere aufmerksam gemacht, erfand ein Rheinfelder weit von der Heimat entfernt die Würfelzuckerpresse.
Wie sich dies zutrug, entnahmen wir einer Arbeit Frantisek Krizeks, die zum 125. Geburtstag der Erfindung für die Datschitzer Neujahrsblätter entstanden ist.
Johann Christoph Rad war damals Direktor der Datschitzer Zuckerraffinerie, die 1831 erbaut wurde. Neben überseeischem Rohrzucker wurde auch der heimische Rübenzucker raffiniert, der seit der napoleonischen Kontinentalsperre, welche die Einfuhr unmöglich gemacht hatte, wieder erzeugt wurde. Trotz der namhaften Jahresproduktion wurde der Betrieb schon im Jahr 1852 wieder eingestellt.
Die Idee kam von der Gattin
Am 25. März 1799 wurde Johann Christoph Rad in Rheinfelden geboren. Sein Vater diente in einem österreichischen Regiment. Als er 1808 den Dienst quittierte, zog die Familie nach Wien. Jakob Christoph sollte Kaufmann werden. Zunächst arbeitete er eine Zeitlang in einer Drogerie, dann reiste er für einige Jahre ins Ausland. Im Jahre 1835 kam er wieder nach Wien. Er bot dem Kaiser ein optisches Telegraphensystem an, wofür er fürstlich belohnt wurde. Nach diesem System sollte eine Telegraphenlinie Wien-Mailand gebaut werden, leider wurde sie nie verwirklicht.
Als Rad 1839 heiratete, war er noch immer ohne Stellung. Aus unerklärlichen Gründen wurde er aber im folgenden Jahr Direktor der Zuckerraffinerie in Datschitz, wo er auch eine Fruchtsiederei und eine Schokoladefabrik einrichtete. Nach den Aufzeichnungen des Magazinverwalters der Raffinerie sprach damals Rads Frau beim Mittagessen die entscheidenden Worte: man möge eine Erfindung, die das Zuckerhacken unnötig mache, tun; Zucker in der Form von Würfeln hatte für Hauswirtschaft große Vorteile, da man diese stückweise zuzählen könnte. Direktor Rad war von der Idee anscheinend fasziniert, denn nach drei Monaten schon konnte er seiner Gattin ein Kistchen voll Zuckerwürfel überreichen.
Die Erfindung verbreitete sich rasch
Rad hatte ein Verfahren entwickelt, welchem grundsätzlich die heutigen Methoden noch entsprechen. Das Presswürfelsystem erschien ihm als das vorteilhafteste. Eine Messingplatte mit vierhundert würfelförmigen Öffnungen wurde auf eine weitere Metallplatte gestellt. Durch eine Siebmaschine wurde Zuckermehl in die Form eingesiebt und hierauf glattgestrichen. Auf einer Schienenbahn rollten die beiden Platten nun unter die Presse. Die Stempel konnten jetzt auf die entsprechenden Öffnungen heruntergeschraubt werden, wodurch die Zuckermasse auf das halbe Volumen zusammengepresst wurde. Der Druck wurde gelockert, die Metallplatte unter der Lochplatte hervorgezogen und durch ein Brettchen ersetzt, auf welches die Würfel mit der Presse herausgedrückt wurden.
Die vierhundert Würfel wurden hierauf einen Tag getrocknet und dann verpackt und versandt. Mit sechs solchen Vorrichtungen erzeugten elf Frauen, zwölf Mädchen und zahlreiche Kinder täglich zweihundert Zentner Würfelzucker.
Nach einem Jahr publizierte Rad seine Erfindung und deren Vorteile: die Käufer könnten sich ihren Bedarf besser ausrechnen, weil die Zahl der Würfel pro Pfund stets gleich bleibe; außerdem falle der Abfall beim leidigen Verkleinern des Zuckerhutes weg. – In den folgenden Jahren war Rad als Sekretär der Handelskammer bei verschiedenen Zuckerfabriken der Donaumonarchie tätig. Später wurde er gar zum Generalsekretär des Vereins der Rübenzuckerfabrikanten ernannt. Am 13. Oktober 1871 starb der bedeutende Rheinfelder in Wien.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Erfindung Rads jedoch in halb Europa. Nach ein paar Jahren war das Produkt schon überall bekannt. Noch heute werden wir ja täglich mit dieser Idee einer praktischen Hausfrau, deren Gatte die technischen Mittel zur Realisierung dazu erfand, konfrontiert.
Aus einem älteren Zeitungsausschnitt (um 1968). Quelle leider nicht bekannt. Für Hinweise sind wir dankbar.